Das Strassenkinderhilfswerk Elim wurde am 21. Dezember 2000 durch die Peruanerin Nilda Escobar und die Schweizerin Carole Gürtler gegründet. Es ist ein freies evangelisches Hilfswerk und arbeitet mit regionalen Pastoren zusammen. Es wird von der peruanischen Mitbegründerin Nilda Escobar und ihrem Sohn, Jeremy Cuba Escobar, geleitet. Das Werk betreut zwei Häuser. Im Mädchenhaus im Stadtteil „La Florida“ leben zur Zeit vierzehn Mädchen, im Haus „La Casa de mi Padre“ wohnen achtzehn Jungen. Die Kinder essen und schlafen in den beiden Häusern, tagsüber besuchen sie die örtlichen Schulen. Von der nachmittäglichen Hausaufgabenhilfe im Elim profitieren viele Kinder aus dem armen Quartier Zarzuela. Volontäre aus verschiedenen Ländern wohnen zeitweise mit den Kindern.
Seit 2001 engagiert sich der pensionierte reformierte Berner Pfarrer Marcel Dietler fürs Elim. Er ist zu einem beachtlichen Teil für den Lebensunterhalt der Kinder zuständig und besucht das Werk jedes Jahr. Er beantwortet hier einige Fragen.
Wie ist das Hilfswerk Elim entstanden?
Die Anfänge waren bescheiden. In einem Miethaus nahe dem historischen Zentrum der Stadt wurden Kindern, welche vor den Zuständen in ihren Familien geflohen oder von diesen ausgesetzt worden waren, warme Mahlzeiten angeboten. 2001 konnte in dem heruntergekommenen Quartier Zarzuela mit Geld von Schweizer Freikirchen ein Haus gekauft werden, das den Namen Haus kaum mehr verdiente. Der Zustand, in dem es sich befand, lässt sich am besten durch das Lied vom „Haus von Rocky Docky“ ausdrücken. In der Mitte des zerfallenen Hauses befand sich ein grosser Hof, insgesamt ein recht grosses Gelände. Das „Rocky Docky“ diente als Bubenheim. Mit Hilfe eines amerikanischen Freundeskreises wurde in dem schönen Stadtteil La Folorida ein Mädchenhaus gebaut. Für den Lebensunterhalt sorgte der Schweizer Freundeskreis. Das Werk erfreute sich bald grosser Beliebtheit. Kinder traten freiwillig ein oder wurden als Kinderverbrecher vom Richter eingewiesen. Die Erfolgsquote ist recht hoch. Ehemalige Elimkinder stehen heute als Erwachsene in einem Arbeitsprozess und haben eine Familie gegründet, andere studieren an der Universität. 2011 lebten während einer Übergangszeit auch die Buben im Mädchenheim. In dieser Zeit wurde das „Rocky Docky“ abgerissen und auf dem Gelände mit amerikanischen Geldern ein grosses Bubenheim gebaut.
Wie hängt Elim mit den lokalen Kirchen zusammen?
Die beiden Elim Co-Direktoren, Nilda Escobar und Jeremy Cuba Escobar, sind Christen mit einer oekumenischen Gesinnung. Das Bubenheim, „Casa de mi Padre“, hat recht eigentlich die Funktion einer Quartierkirche. Zwar ist das in der Vergangenheit verwahrloste Quartier, in welchem das Verbrechen blühte, heute ein aufstrebender Stadtteil, doch leben hier immer noch sehr viele arme Menschen, die mit dem Leben nicht zurecht kommen. Das „Casa de mi Padre“ hat eine Präventivarbeit entwickelt, welche der Ortsbevölkerung bei den Lebensaufgaben und der Kindererziehung hilft, sodass viele dieser Kinder, die sonst vor den Verhältnissen in ihren Elternhäusern auf die Strasse fliehen würden, gar nicht erst Strassenkinder werden. Frauen, Männer und Kinder nehmen an diesem Programm teil, das mit südamerikanischer Selbstverständlichkeit seinen Abschluss in einem Gottesdienst findet. Der Gottesdienst wird von den Ex-Strassenkindern geleitet. Als Strassenkinder mussten sie für den Überlebenskampf viel negative Energie und Kreativität entwickeln. In ihrem neuen Leben wird die negative Kreativität in positive Kraft umgeleitet. Die Kinder berühren im Gottesdienst die Besucher durch ihre getanzten Botschaften, durch ihre Musik und Gedichte. Durch den Gottesdienst realisiert sich das „Contigo“ (Gott hilft Dir durch Menschen).
Was bedeutet der Name „Contigo“?
Contigo ist spanisch und heisst “mit dir”. Mit dir, contigo in einer Doppelbedeutung. Für mich, für uns in Europa hat es nicht dieselbe Bedeutung wie für dich, für euch Kinder in einer völlig anderen peruanisch-südamerikanischen Kultur.
Für mich in Europa als Mensch aus der Schweiz, Deutschland oder Österreich bedeutet Contigo: mit dir, Kind der Strasse, will ich, der ich in behüteten, wohlhabenden Verhältnissen aufgewachsen bin, eine Wegstrecke gehen. Ich tue das in Form von Spenden, oder wenn ich mich noch stärker engagieren will, in Form einer Patenschaft, oder als freiwillige Mitarbeiterin oder Mitarbeiter, indem ich einige Wochen im Heim, in dem du lebst, mitlebe und dich persönlich kennen lerne.
Für dich, der du auf der Strasse gelebt hast, hat Contigo eine Bedeutung, die über das Menschliche, Mitmenschliche und Menschenmögliche hinausgeht. Unsere heutige europäische Kultur ist eine Kultur der Machbarkeit. Alles ist machbar – wozu also brauchen wir Gott? Die südamerikanische Kultur dagegen ist eine religiöse Kultur, eine indianisch-katholisch oder neustens evangelikal-pfingstlich geprägte Kultur. Ein Drittel der südamerikanischen Bevölkerung gehört heute zu einer Pfingstkirche oder pflegt im Rahmen der katholischen Kirche eine charismatisch-pfingstliche Frömmigkeit. In diesem geistlichen Klima sagen die Ärmsten der Armen ganz selbstverständlich und unverkrampft: “Mir kann nur Gott helfen.” Für ein peruanisches Strassenkind bedeutet Contigo: mit dir, Gott, will ich meinem alten Leben absterben und zu einem neuen Leben auferstehen. Es sind zwar Menschen, Peruaner und Europäer, die mir helfen, aber letzten Endes kann eine Auferstehung zu neuem Leben nur mit Gott gelingen.